Aufruf zur Gründung einer stiftung medico international
Inseln der Vernunft schaffen
Im Jahr 2004 riefen prominente Ärzte, Psychoanalytiker und andere bekannte Persönlichkeiten zur Gründung der stiftung medico international auf. Der Aufruf erschien unter anderem in der taz. Hier der vollständige Text.
Angesichts einer Welt, die von zunehmender Gewalt bedroht ist, gilt es, Inseln der Vernunft zu schaffen. Darum sind wir immer bemüht gewesen, und gerade heute sehen wir keinen Grund, locker zulassen. Auch Sie können bei der Schaffung einer solchen Insel mitwirken.
Dazu möchten wir Sie mit der sozialmedizinischen Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international bekannt machen, deren Arbeit wir in den zurückliegenden Jahren schätzen gelernt haben. Vermutlich haben auch Sie schon von der Frankfurter Organisation gehört. 1997 erhielt die von medico international ins Leben gerufene „Internationale Kampagne zum Verbot von Landminen“ den Friedensnobelpreis. Im gleichen Jahr wurden Anti-Personenminen völkerrechtlich geächtet. Die Initiative für das Verbot dieser heimtückischen Waffen ist von medico international ausgegangen.
Wirkungsvolle Hilfe hat zwei Seiten: sie umfasst den unmittelbaren Beistand für Menschen in Not, und sie erfordert die Einmischung in die politischen Verhältnisse, um für einen dauerhaften Schutz vor Elend und Not zu sorgen. medico international steht für beide Seiten. Auch Sie können daran Teil haben.
Die Arbeit von medico international beginnt meist erst dann, wenn Krieg und Katastrophe ihr spektakuläres Gesicht verloren haben und die Kameras abgeschaltet sind. Mit praktischen Hilfen geht es um die sozialpsychologische Betreuung von Gewaltopfern, die Rehabilitation von Kriegsversehrten, die Wiederansiedlung von Flüchtlingen, die Stärkung lokaler Zivilgesellschaften, die Qualifizierung örtlicher Fachkräfte, den Aufbau von gemeindeorientierten Gesundheitsdiensten – mit anderen Worten: um die Wiederherstellung tragfähiger sozialer Strukturen. Solche Unterstützung verlangt Beharrlichkeit und umfangreiche Finanzmittel. Dort, wo die Opfer von Krieg und Katastrophen im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit stehen (wie zur Zeit etwa in Afghanistan), kann auch medico international auf die finanzielle Unterstützung durch staatliche und zwischenstaatliche Institutionen zählen. Hingegen wird es zunehmend schwieriger, jene Mittel zu mobilisieren, die für die Unterstützung der „vergessenen“ Opfer von Armut und Gewalt (ob in Afrika oder Lateinamerika) so dringend notwendig sind.
In einem Punkt unterscheidet sich medico international von vielen anderen international tätigen Hilfsorganisationen: selbst auf die Gefahr hin, sich missliebig zu machen, nimmt medico international zu den Hintergründen von Not Stellung und drängt auf Veränderung. Ein Verständnis von Hilfe, das sich zum Schweigen verpflichtet fühlt, wenn es um die Ursachen von Armut und Gewalt geht, jedenfalls ist nicht die Sache von medico international.
Die nachhaltige Überwindung von Not erfordert einen langen Atem sowie die Ungebundenheit von staatlichen Interessen und medialen Konjunkturen. Beides bedarf einer unabhängigen finanziellen Basis. Um diese langfristig zu sichern, will medico international eine Stiftung gründen, die den Namen Stiftung medico international tragen wird.
Gemeinsam mit Ihnen wollen wir uns nun auf die Suche nach Menschen begeben, die mit den Zielen von medico international übereinstimmen und einen (kleinen) Teil ihres Vermögens einer solchen Stiftung zur Verfügung stellen wollen. Vielleicht gibt es solche Leute ja auch in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis. Das kürzlich vom Bundestag verabschiedete neue Stiftungsgesetz ermuntert zur Gründung von Stiftungen und bietet Stiftern große steuerliche Vorteile. Näheres darüber können Sie der beigefügten Broschüre entnehmen. Bitte nehmen Sie sich die Zeit für die Lektüre. Empfehlen Sie unsere „Insel“ denjenigen in Ihrem Umfeld, die Interesse und Freude an einer solchen Stiftung haben könnten.
Dr. Margarete Mitscherlich-Nielsen, Dr. Paul Parin, Prof. Dr. Peter Riedesser, Mathis Bromberger, Eva Demski, Prof. Diwi Dreysse , Prof. Dr. Ingeborg Flagge , Prof. Joachim Hirsch, Ulrike Holler, Barbara Klemm, Dr. Wolfgang Leuschner, Justizminister a.D. Rupert von Plottnitz, Dr. Elisabeth Schweeger