Acht von vielen
Warum sich Menschen für die Stiftung engagieren
Nachhaltige Veränderungen brauchen Zeit und einen langen Atem. Vermögen in eine Stiftung einzubringen, ist ebenfalls ein auf Dauer angelegtes Engagement. Hier erklären medico-Stifter:innen ihre Motivation, sich auf diese Weise einzusetzen.
Ein politisches Zuhause
Andrea und Florian Weber
Ohne Menschen wie Andrea und Florian Weber wäre die Stiftung medico international vielleicht nie entstanden und sicher hätte sie sich nicht so entwickelt. Sie Ärztin und Psychotherapeutin, er Psychologe und Psychotherapeut, beide früh politisch bewegt, als Paar irgendwann mit einem beträchtlichen Erbe im Rücken, waren immer schon bereit, solidarisch zu teilen. Als Gründungsstifter: innen haben sie die Stiftung mit in die Welt gebracht und bis heute wiederholt großzügig unterstützt. Warum ausgerechnet medico? „Bei der Entscheidung haben uns viele Fragen beschäftigt: Wie viel von der Hilfe kommt an? Beschränkt sie sich auf die Linderung der unmittelbaren Not und klammert deren Hintergründe aus? Inwieweit ist sie Hilfe zur Selbsthilfe, zum Aufbau möglichst nachhaltiger Strukturen? Kann sie der neoliberalen Globalisierungswüste wenigstens ein kleines Stück Grünland abtrotzen? medicos Grundidee hat uns sehr angesprochen: nämlich vor Ort bestehende Initiativen aufzugreifen und zu fördern“, erklärt Andrea Weber. Florian ergänzt: „Dass wir medico treu geblieben sind, liegt auch daran, dass wir nie das Gefühl hatten, wir geben Geld und damit hat es sich. Wir sind immer mit vorzüglichen Projektinformationen versorgt worden und hatten auch stets Einblick in die Entscheidungsprozesse. Da war immer das Gefühl, dabei zu sein – sowohl bei medico als auch bei den Projekten. Gerade in diesen immer ungemütlicher werdenden Zeiten ist es ein saugutes Gefühl, für sich und sein Engagement ein so anheimelndes politisches Zuhause gefunden zu haben.“
Worauf es ankommt
Antje Schwalbe-Kleinhuis
Die Großeltern hatten Anfang des 20. Jahrhunderts eine Stiftung in Hamburg übernommen, deren Ziel es war, Kellnern auch außerhalb der Saison Beschäftigung und Unterkunft zu bieten. Nach dem Zweiten Weltkrieg machten die Eltern aus dem ehemaligen Kellnerheim der Stiftung ein Hotel. Antje Schwalbe-Kleinhuis erinnert sich gut, wie sie einmal Schiffbrüchige aufgenommen und vor neugierigen Reportern geschützt haben. Hierbei habe sie gelernt, worauf es im Leben ankommt: „Sich einsetzen für andere Menschen, sein Herz öffnen, tun, was man kann, seinen Teil beitragen.“ Genau das tat sie selbst viele Jahre später gemeinsam mit ihrem Mann Uwe: Mitte der 1990er-Jahre kaufte das Paar ein großes Haus auf St. Pauli. Nicht als Kapitalanlage, sondern um schönen und bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. Das Haus ist inzwischen ein Vielfaches wert, soll aber für die Mieter:innen dauerhaft erschwinglich bleiben. Im Vertrauen, dass medico dieses Ansinnen teilt, und aus Wertschätzung für die Arbeit von medico, haben Antje und Uwe vor vielen Jahren testamentarisch festgelegt, die Immobilie an medico zu vererben. Denn, so Antje Schwalbe-Kleinhuis: „Zu diesem Vermögen haben sehr viele Menschen beigetragen, deshalb soll es auch dauerhaft vielen Menschen wieder zugutekommen.“ Vor zwei Jahren ist Uwe gestorben. Jetzt hat Antje die gemeinsame Entscheidung in Form einer Schenkung an die medico-Stiftung umgesetzt.
Ein zweites Standbein
Mathis Bromberger
Ein Foto in seiner Praxis zeigt ihn 1970 als jungen Arzt in Indien in einem Camp bengalischer Flüchtlinge. Es war einer der allerersten medico-Einsätze. Knapp zwei Jahre zuvor hatte Mathis Bromberger zusammen mit einer Handvoll anderer kritischer Mediziner:innen aus dem Umfeld der Frankfurter Uniklinik medico international gegründet. Für die junge Organisation wurde die Erfahrung in Indien zum Augenöffner: „Schon damals lieferten sich Hilfsorganisationen ein Schaulaufen um mediale Aufmerksamkeiten. Vor allem aber wurde klar, dass wir als Ärzte auf Zeit nichts an den Ursachen des Leids ändern konnten.“ Nach sechs Monaten kehrte er mit einer Gewissheit zurück: „Dieser Weg kann es nicht sein.“ Schon bald würde sich medico radikal einer partnerorientierten Hilfe verschreiben. Als in Frankfurt praktizierender und politisch bewegter Arzt ist Mathis Bromberger stets an der Seite des Vereins geblieben. Er hat medico nach Kräften unterstützt, nie aber Funktionen übernommen. Das hat sich erst Anfang des Jahrtausends mit dem Aufkommen einer Idee geändert: „Eine Stiftung zu gründen, die medico ein zweites, solides wirtschaftliches Standbein geben und gleichzeitig selbst politisch wirken könnte – das fand ich sofort faszinierend.“ Um aus der Idee Realität werden zu lassen, aktivierte er seine Kontakte, vermittelte und überzeugte. „Mit einem stand ich allerdings lange ziemlich alleine: Ich fand eine Anlage des Stiftungsvermögens in einer Immobilie immer schon das einzig Sinnvolle.“ Umso mehr freut er sich heute, wenn er zu einem Treffen des Stiftungsvorstandes ins medico-Haus radeln kann.
Ein Nachlass, damit die Hilfe nicht nachlässt
Gabi und Peter Kaiser
In Ofterdingen, einem Dorf in der Nähe von Tübingen, steht direkt an dem Bach Steinlach eine 300 Jahre alte Mühle. Gabi und Peter Kaiser haben sie zwei Jahre lang renoviert – und sie, samt Grundstück, in ihr Testament eintragen lassen. Begünstigte ist die Stiftung medico international. „Mir war es immer wichtig, etwas von dem, was ich habe, abzugeben. Schließlich darf man nie vergessen, dass es uns vergleichsweise sehr gut geht – selbst mir als Krankenschwester“, sagt sie. Beide kennen medico schon ganz lange. So hat Peter Kaiser in den frühen 1980er-Jahren im Kontext der Unterstützung der Widerstandsbewegung in El Salvador Blutspenden Tübinger Studierender mitorganisiert und die Erlöse an medico gespendet. Auch Gabi Kaiser hat sich immer schon politisch engagiert, in den 1990er-Jahren dann im Tübinger Zentralamerika- Komitee (ZAK). Als der Hurrikan Mitch im Jahr 1998 in Nicaragua verheerende Verwüstungen hinterließ, lernte auch sie die Arbeit von medico kennen. Die enge Partnerorientierung, der breite Gesundheitsbegriff, das umfassende Verständnis von Hilfe – all das hat sie überzeugt: „Früher habe ich mir immer einen Kopf gemacht, an welche Organisation ich spenden möchte. Das hat sich durch medico geändert.“ So ist das Paar auch in der aktuellen Tübinger medico-Gruppe aktiv.
Keine einfachen Wahrheiten
Ingrid und Theo von der Marwitz
Als Ende September 2019 die medico-Stiftung die neue Debattenreihe „Der utopische Raum“ mit einer zweitägigen Veranstaltung eröffnete, hatten sich auch Ingrid und Theo von der Marwitz aus Bremen auf den Weg nach Frankfurt gemacht. Sehr anregend seien die Diskussionen gewesen, meint sie. „Es gefällt mir, dass die Stiftung ihren Förderern durch Einladungen zur gemeinsamen Debatte auch etwas zurückgibt.“ Ihr Mann, der wie sie in Bremen psychotherapeutisch tätig ist, schätzt zudem das Wie: „Viele Hilfsorganisationen glauben, dass Spender oder Stifter einfache Wahrheiten wollen. medico hingegen setzt auf einen informierten Unterstützerkreis und trägt auch zu seiner Informiertheit bei.“ Diesem Kreis gehört das Ehepaar aus Bremen schon lange an. So hat er medico bereits in den 1980er-Jahren in Nicaragua kennengelernt, wo er als Kinderarzt bei den Gesundheitsbrigaden aktiv war und medico eine tragende Rolle gespielt habe. Längst sind beide von der Arbeit der Frankfurter Organisation angetan. „Ich finde die partnerorientierte Hilfe sehr überzeugend, vor Ort lokale Initiativen zu fördern“, erklärt Ingrid von der Marwitz. Hinzu kommt der psychosoziale Förderschwerpunkt: „Psychosoziale Themen fallen oft hinten runter“, meint Theo von der Marwitz. „Deshalb freut es mich, dass die Stiftung hier auf langfristige Konzepte setzt.“ Das passt auch zu seinem gesellschaftspolitischen Engagement von heute: In Bremen ist er bei Refugio aktiv, ein Zentrum, das sich um die psychosoziale und therapeutische Behandlung von Flüchtlingen und Folterüberlebenden kümmert. Schnittstellen zu medico gibt es da zuhauf.